Lucas: Matthias, phiyond by adelphi erhält viele Einblicke in die Industrie. Ihr begleitet bei Compliance- aber auch Strategieprojekten. Wie nimmst du die aktuelle Stimmung wahr?
Matthias: Wenn du die von der Omnibus-Debatte geprägte Verunsicherung im Markt meinst, betrachten wir das Ganze von zwei Seiten:
- Dass die Nachhaltigkeitsregulierung zurückgefahrenwerden könnte, birgt für die Ökosysteme und Menschenrechte eine große Gefahr. Gleichwohl überrascht es nicht. Regularien werden im politischen Raum häufig von Konjunkturzyklen abhängig diskutiert. Ich empfehle NH-Manager:innen genau zu verfolgen welche Interessen ihr Unternehmen auf politischer Ebene aktuell vertritt. Politische Aktivitäten von Unternehmen sollten an ihren Nachhaltigkeitszielen und Leitbildern gemessen werden können. Das bedeutet konkret, dass man von Interessensvertretern in Brüssel und Berlin erwarten darf, dass nicht mit der Kettensäge, sondern mit Feingefühl nachjustiert wird, also Bürokratie abbauen ja, aber nicht zu Lasten der Ansprüche hinter CSRD, CSDDD, EU-Taxonomie, EUDR etc.
In der Debatte sollte zudem nicht unterschätzt werden, wie sich das ISSB weiterentwickelt und welche Trends in China erkennbar sind. - Grundsätzlich sehen wir in der Debatte aber auch neue Potentiale für unsere Klienten: Die letzten zwei Jahre waren sehr geprägt von Compliance-Fragen. ESG bekommt nun endlich die Chance, mehr zu sein als Excel-Listen, Datenpunkte und ein Jahresbericht. Wir sehen die Chance, unternehmerisch gedachten Impact im Rahmen planetarer Grenzen und sozialer Standards voranzutreiben –als zentrales Element der Zukunftsfähigkeit der Unternehmen auch aus rein ökonomischer Sicht.
Lucas: Das hört sich erfrischend motivierend an. Was sagst du also den NH-Manager:innen, mit denen du sprichst?
Matthias: Wir versuchen erst einmal mit gezielten Fragen, die aktuelle Situation der Ansprechpartner:innen zu verstehen. NH-Manager:innen haben das Bedürfnis, ihre Rolle zu legitimieren, gerade jetzt, wo Compliance teilweise auf wackeligen Beinen steht. In Gesprächen mit dem Top-Management und Geschäftsführer:innen erleben wir den klaren Zahlendruck – ein Business Case muss immer gegeben sein. Wie aber bereits angedeutet, ist das für uns alle ein Fenster der Möglichkeiten. Jetzt entscheidet sich, welche Marktteilnehmer ihre Geschäftsprozesse zukunftsfähig ausrichten. In dieser Situation können NH-Manager:innen einen ganz großen Mehrwert leisten.
Lucas: Der da wäre?
NH-Manager:innen werden zu internen Transformationsbegleitern. Gehen wir davon aus, dass die DWA in vielen Unternehmen abgeschlossen ist, müssen die Themen jetzt natürlich implementiert werden – wohlgemerkt ist das der Anspruch hinter der CSRD. Genau hier wird es betriebswirtschaftlich höchst spannend. Wir wechseln vom normativen und strategischen Nachhaltigkeitsmanagement in die Operationalisierung. Teil einer ganzheitlichen NH-Strategie ist es, SMARTe Ziele für wesentliche Themen zu setzen. Metriken müssen entwickelt und in die Organisation gebracht werden. Das ist der Moment der NH-Manager:innen: Gemeinsam mit den Fachverantwortlichen wird integrierte Nachhaltigkeit messbar gemacht und wirtschaftlicher Erfolg vorangetrieben. Lass es mich kurz etwas konkreter machen: Stell dir ein großes Remanufacturing-Projekt im Automobilsektor vor. Hier kommen Produktverantwortliche, Beschaffungsexpert:innen, Logistikexpert:innen und NH-Manager:innen zusammen, um finanzielle und ökologische Kennzahlen im Rahmen des Produktlebenszyklus zu besprechen. So entsteht wahrer Impact.
Lucas: Also frei nach dem Motto „It’s the economy, stupid!“?
Matthias: Wir alle müssen unsere (erneuerbare) Stromrechnung am Ende des Tages zahlen. Lass mich ein anderes Beispiel aus dem Alltag nennen: Die Kaffeepreise an den Rohstoffbörsen sind in den letzten zehn Jahren um über 150 % gestiegen. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung sind Folgen des Klimawandels, wie Dürren und Starkregen in Anbauregionen. Die Handelsriesen haben im Hintergrund die Aufgabe, den Kaffeeanbau so ökologisch und resilient wie möglich zu organisieren, um die Preise stabil zu halten und ihr eigenes Geschäft zukunftssicher aufzustellen – nach dem Motto “The economy depends on Mother Earth’s ecosystems.” NH-Manager:innen sind Change Agents, die zwischen verschiedenen Perspektiven vermitteln – eine sehr spannende Aufgabe in turbulenten Zeiten. phiyond unterstützt hier bei der Transformation hin zu einem zukunftsfähigen Wirtschaften.
Lucas: Danke Matthias!
Gastautor: Matthias Poerting, Senior Consultant bei phiyond by Adelphi